Bei schönem aber recht windigem Wetter fuhren wir weiter Richtung
Norden. In Assos selbst waren die Nebenstrassen unbefestigt, lediglich die
Hauptverkehrswege waren mit Kopfsteinen bepflastert. Wieder kamen wir an der
Militärpatrouille vorbei. Diesmal liessen Sie uns aber ungehindert passieren. Heute
wollten wir unbedingt bis Istanbul kommen. In Istanbul waren unsere Hotelzimmer bereits
reserviert. Die HONDA Türkey hatte über ihr Kontingent in einem der besten Häuser für
uns die Zimmer vorbestellt. Da Troja auf unserem Weg lag, wollten wir natürlich auch dort
einen kleinen Halt einlegen. Aber so überzeugend war Troja nicht. Ich kann mir nicht
vorstellen, dass die Trojaner damals auf eine so plumpe Holzkonstruktion hereinfallen
konnten (ich hoffe schwer, das der Nachbau des trojanischen Pferdes eine sehr schlechte
Kopie ist). Nun mussten wir uns sputen. Um 13.00 Uhr sollte die Fähre von Çanakkale über die
Meerenge auf den europäischen Kontinent übersetzten. Im Fährhafen herrschte ein buntes
Treiben. Viele Händler boten Parfüms, Brotringe, T-Shirts und ähnliches feil. Die
Überfahrt dauerte nicht lange wir hatten wieder europäische Erde unter unseren Rädern.
Der Wind blies hier stärker, es wurde mühsam eine gute Durchschnittsgeschwindigkeit zu
erreichen. In Saraköy verliessen wir die Schnellstrasse und wollten zuerst einen kurzen
Imbiss einnehmen. In einem kleinen Restaurant wurden wir mit Tee, Brot, Käse und kleinen
Hackfleischbällchen bewirtet. Das halbe Dorf lief auf dem Platz vor dem Dorf zusammen um
unsere Motorräder zu bestaunen. Auf einer unbefestigten breiten Küstenstrasse (ca. 20 km
lang) genossen wir die erste Schotterfahrt während unserer Türkeireise. Der ganze Pulk
zog sich in die Länge, schliesslich wollte jeder auch noch etwas Sicht haben. Zum Teil
führte die Strasse fast auf Meereshöhe dem Strand entlang und wurde von den Wind
gepeitschten Wellen immer wieder überspült, an anderen Stellen klettert die Strasse den
Felswänden entlang in die Höhe. Die Aussicht auf das Meer war herrlich. Immer noch war
der Himmel stark bedeckt, die Wellen hatten "weisse Pfötchen".
Kurz vor Barbaros der erste Platten. Berna hatte sich
einen Nagel eingefahren. Mit Teamwork war dieser Schaden bald behoben und im nächsten
kleinen Bergdorf wartete der Rest der Gruppe auf die "Mechaniker Mannschaft".
Hier in der Nähe musste es irgendwo Tabakfelder haben. Gesehen hatte ich keine, aber an
vielen der Häuser hingen grosse Tabakblätter zum trocknen. Von Tekirdag wollten wir die
Hauptstrasse und später die Autobahn Richtung Istanbul nehmen. Denn es war schon später
Nachmittag. Plötzlich, wir fuhren bereits auf der Hauptstrasse, "eierte" unser
Hinterrad. László fuhr an den Strassenrand. Diesmal hatten wir einen Platten (Nr. 2).
Auch bei uns war des Übels Ursprung ein Nagel. Eigentlich hatten wir vereinbart, dass
jeder jeweils einen vorderen und einen hinteren Schlauch mitnehmen müsse. Wir wollten
aber keine Seitenkoffern mitnehmen und hatten nur unser 60l Topcase mit all unseren Sachen
dabei. Da hatten einfach keine Schläuche mehr Platz. László packte sein Werkzeug nun
schon zum zweiten mal aus und fragte nach einem Ersatzschlauch. Schnell war auch diesmal
das Hinterrad wieder in Ordnung gebracht. An einer nahen Tankstelle wollten wir den Reifen
pumpen, damit wir nicht all unsere Druckluft-Patronen aufbrauchen mussten. Doch am
Luftstutzen befand sich kein Ventil. Ein Car-Chauffeur, der an der Tankstelle gerade
seinen Bus reinigte half uns den Reifen mit seiner Druckluft aufzupumpen. Nun wollten wir
uns sputen. Der Rest der Gruppe trank in der Zwischenzeit etwas in einem nahen Restaurant,
aber oh Schreck, keine 100 Meter weiter war unser Hinterreifen schon wieder platt (Nr. 3).
Nun nahmen wir uns die Zeit beide Schläuche zu flicken und den Pneu gründlich zu
untersuchen, doch wir konnten nichts finden, das unseren Schlauch beschädigt haben
könnte. Die Sonne ging schon unter und es waren noch über 200 km bis zum Etappenziel.
Unser geflickte Schlauch war schnell montiert und mit Patronen mit Luft versorgt worden.
Wir fuhren auf unserer Stammposition an hinterster Stelle und konnten doch ein paar
Kilometer zurücklegen. Es war bereits dunkel, wir fuhren auf den Autobahnzubringer und
wieder hatten wir einen Platten (Nr. 4). Um einen Platz für die nächtliche Reparatur zu
haben, fuhren wir noch einige Meter bis zum nächsten Pannenstreifen. Das Hinterrad war
auch diesmal schnell ausgebaut und der Schlauch freigelegt. Leider hatte sich diesmal auch
das Ventil losgerissen und auch das Felgenband war kaputt. Der Grund dieser Panne war
eindeutig. Der Flick hatte nicht gehalten. In der Hoffnung, dass wir bald vermisst werden
würden und die nächste Autobahnabfahrt nicht zu weite entfernt liegen würde, um
umzukehren, bastelten wir mit breitem Isolierband ein neues Felgenband. Nach kurzer
Wartezeit erreichte uns ein kleiner Suchtrupp. Einen Schlauch für unser Hinterrad hatte
niemand von diesem Suchtrupp dabei, so mussten wir einen Vorderschlauch im Hinterrad
montieren. Mit einer kleinen Handpumpe wurde wieder Luft getankt, das war verdammt
anstrengend. Nun getrauten wir uns nicht mehr an hinterster Position zu fahren und
überliessen den Job des Schlusslichts David; der nebenbei immer ein Auge auf unseren
Hinterreifen hatte. Bei der Autobahnzahlstelle warteten die anderen mit müden Augen auf
unser Kommen. Alle sehnten sich nach einem bequemen Bett, einer Dusche und natürlich nach
etwas Essbarem. Es war schon 22.00 Uhr vorbei. Mir und László war es natürlich nicht
recht, dass alle wegen uns warten mussten. So wurde vereinbart, dass wir mit David und
seiner Sozia Corinne zuhinterst fahren sollten. Wir würden, falls ein weiterer
Zwischenfall passiert, das reservierte Hotel zu finden wissen. Nach ein paar Kilometern
hatte László das Gefühl, wieder weniger Luft im Hinterreifen zu haben und steuerte
deshalb eine Autobahntankstelle an. Doch der Druckanzeiger der Luftdruckstation belehrte
ihn eines besseren. Jedenfalls fuhren wir wieder auf die Autobahn zurück und waren wie
vereinbart alleine. Die Gruppe war in der Zwischenzeit weitergefahren. Röbu und Andy
schienen bei der letzten Besprechung nicht richtig zugehört zu haben, jedenfalls tauchten
diese zwei plötzlich auf und Fragen nach unserem Verbleib. Der nächste Zwischenfall trat
ca. 60 km vor Istanbul ein.
Wieder hatten wir hinten einen Platten (Nr. 5). Es war Stockdunkel
auf der Autobahn. David plazierte seine Twin so, dass er mit seiner Maschine Licht spenden
konnte. Hier in der Türkei ist es keine Seltenheit, dass die Lastwagen auf dem
Pannenstreifen fahren, manchmal sogar ohne Licht. So hielten Corinne und ich immer
Ausschau. Diesmal hatte der hintere Schlauch einen langen Riss. "Röbu sei
Dank"; er hatte nicht nur noch einen neuen Schlauch und Patronen sondern auch ein
Handy, mit dem wir im Notfall Berna hätten erreichen können. Kurz vor Mitternacht hatten
wir unsere Reparatur beendet.
Jetzt konnte David seine Maschine nicht mehr starten, denn keine Batterie
verträgt es, ohne laufendem Motor eine halbe Stunde lang zwei 60 Watt-Birnen mit Saft zu
versorgen. Nach dem Anschieben von Davids Twin galt es unser Hotel in einer riesigen
Stadt zu finden, die niemand von uns kannte. Ich hatte in der Zwischenzeit mit Corinne
zusammen den Stadtplan studiert. Wir hatten den Hotelnamen und die Quartierbezeichnung.
Die nun vier Motorräder machten sich auf den Weg.