Berna landete mitten in einer riesigen morastigen Pfütze. Zum Glück hatte sie sich nicht verletzt. Das Motorrad war auch nicht ganz so schlimm beschädigt (Kupplungsgriff und Bremsgriff gebrochen bzw. verbogen). Sie war von oben bis unten verschmutzt, ihre Seitenkoffern lagen mitten in der Pfütze und konnten nur geborgen werden, wenn man Wadentief durch das Schlammloch watete. Nach dieser Zwangspause fuhren wir weiter, Berna wesentlich vorsichtiger als bisher.
So kamen wir bei Asagidagdere wieder auf die Hauptstrasse und beschlossen in Çardak eine Mittagsrast einzulegen. Hier in der Gegend hatte gerade die Apfelernte begonnen. Kilometerweit an den Strassen, so weit das Auge reichte, nur Apfelbäume. Kurz vor Çardak wurde die Strasse plötzlich sehr breit, der Mittelstreifen wurde auch wesentlich breiter als sonst. Die einzelnen weissen Striche hatten eine Länge von über 10 m. Erst nach dem Mittagshalt, als wir aus dem Städtchen hinausfuhren entdeckte ich alte Hangars. Die alte Flugpiste von einem ehemaligen Militärstützpunkt wurde einfach zur Hauptstrasse umfunktioniert. Gleich nach Cardak liegt der Salzsee Acigöl. Es wurde hier auch Salz abgebaut. Wir fuhren dem See entlang über eine sehr schöne Schotterstrasse in Richtung Gemis. Auf dem See konnten wir man Pelikane beobachten und die Dunstschleier über dem Wasser vermittelten eine verträumte, sehr schöne Landschaft. Um verlorene Zeit wieder aufzuholen ging es bei Dinar auf der Hauptstrasse weiter nach Isparta und dann nach Egirdir unserem heutigen Etappenziel. Nachdem wir eine Unterkunft gefunden hatten macht sich László auf den Weg einen Friseur zu suchen. Schon auf dem Schiff wollte er sich die Haare schneiden, dort gab es aber keinen Friseur. In Istanbul im Hotel Conrad war es ihm zu teuer und hier in Egirdir fand er, was er suchte. Er kam sehr zufrieden zurück. Die Frisur war wirklich in Ordnung und er bezahlte nur 350'000. Lira (ca. Fr. 3.90). Es ist gerade 19.00 Uhr der Muhezin ruft zum Gebet. Die meisten von uns haben sich schon an diese singenden Rufe gewöhnt. Ich persönlich finde diese Gebetsrufe weniger störend, als unsere heimischen Kirchenglocken.
Jeden Abend, manchmal schon vor dem Zimmerbezug, war Motorradpflege angesagt. Die meisten schmieren ihre Kette oder spannen sie. Heute hatte László seinen Luftfilter ausgebaut. Er hatte keinen Originalfilter mehr, sondern einen mit Schaumstoffeinlage, den man auswaschen konnte. Bis morgen früh würde der Filter annähernd trocken sein, der Rest wird die Motorwärme besorgen.
In einem nahem Restaurant wollten wir Abendbrot essen. László und Dani hatten auf der Karte Krebse entdeckt. Der Kellner meinte, er habe gerade keine und die Fischer seien noch nicht zurück. Nur wenige Minuten später kamen ein paar Männer herein mit einer Kunststoffkiste. Diese war gefüllt mit Krebstieren und Fischen. So kamen Dani und László doch noch zu ihrer Leibspeise.
Am folgenden Tag fuhren wir endgültig nach Süden ans Meer. Wir waren fast nur auf Hauptstrassen unterwegs, hatten uns dafür ein paar Sehenswürdigkeiten angesehen. In der Türkei ist das so eine Sache mit diesen Altertümern. Es gibt hier sehr viel Ruinen, Ausgrabungsstätten und viel ähnliches mehr. Leider sind diese oft nicht in dem Zustand in dem wir diese gerne besichtigen würden. Es wird überall eine Eintrittsgebühr verlangt und zum Teil sind diese Gebühren für türkische Verhältnisse sehr hoch. Termessos liegt ca. 30 km von Antalya entfernt. Eine antike Bergstadt, die auf einem Bergplateau von über 1000 m über Meer liegt. Die Ruinen sind nur zu Fuss zu erreichen (ca. ½ Stunde). Neben einigen Tempeln, Felsengräbern und einem Gymnasium befindet sich ein Theater mit 4000 Plätzen, von dem man bei gutem Wetter eine Aussicht bis zum Mittelmeer hat. Termessos liegt mitten in einem Nationalpark von 67 km2 Fläche mit Bezoarziegen, Rot- und Damwild, Bären und Luchsen; sogar Picknick und Campingplätze stehen zur Verfügung.
Wir aber wollten heute unbedingt noch nach Olympos. Berna hatte uns erzählt, dass es ein tolles Erlebnis werden könnte dort zu übernachten. Olympos liegt zwischen Antalya und Kale direkt am Meer. Hier haben sich vor Jahren ein paar "Aussteiger" festgesetzt, Baumhütten gebaut in denen man übernachten kann. Wir hatten uns mehrere dieser "Tree Häuser" angesehen. Nur wenige wirkten einladend und waren einigermassen sauber. Unserer Nachtlager stand auf vier Stelzen, war nur durch eine Hühnerleiter erreichbar, hatte keine abschliessbare Tür aber wenigstens ein Dach. Jede Hütte war mit drei Matratzen und Bettzeug ausgestattet. Unten im Haupthaus (dieses stand nicht auf stelzen) gab es einen Kiosk mit Getränken und eine Küche. Wir assen hier und besprachen die weitere Route. Einige wollten in der Nacht noch das Geheimnis des feuerspeienden Ungeheuers Chimäre aus den Schriften nach Homers "Iilias" lüften. Das Ungeheuer, das nach der Überlieferung aus einem Löwenkopf, dem Leib einer Ziege und dem Schwanz eines Drachens bestanden haben soll, soll hier gelebt haben. In Wirklichkeit jedoch war es brennendes Erdgas, das aus Felsspalten strömte. Das Naturphänomen, das zur besagten Legende führte, gibt es immer noch. Leute von Olympos anerboten sich, uns mit einem Traktor hinzufahren und uns dieses Phänomen zu zeigen.
Ich hatte ganz gut geschlafen. Wir wollten heute möglichst früh weiter, obwohl unser Etappenziel nur knappe 80 km weiter im Westen lag. Für uns Sozias natürlich toll, da wir hoffen konnten doch einmal noch ein Bad im Meer nehmen zu können oder uns für ein paar Stunden an einen schönen Strand in die Sonne zu legen. Die Strasse führt zum Teil an der Küste entlang. Sandstrände findet man auf dieser Stecke fast keine. Felsen bilden hier den Übergang zum Meer. Doch fast überall käme man mit etwas Klettern hinab zum Meer. Immer wieder entdeckten wir kleine idyllische Buchten, nur schade, dass gerade oberhalb davon die Strasse durchführt. Es hatte kaum Verkehr. Wir genossen das azurblaue Meer und die Stimmung während dem wir uns in die nächste Kurve legten.
Kale (Geburtsort des heiligen St. Nikolaus) lag also keine 80 km entfernt. Unser dortiger Gastgeber (Hoteleigentümer) empfahl uns eine Bootstour. 13 Mitglieder unserer Truppe waren einverstanden und so wurden wir mit einem Kleinbus zum Hafen gefahren. Wir erkletterten ein Boot das ausschliesslich unserer Gruppe zur Verfügung stand. Wir wechselten die Kleider und sonnten uns auf dem Schiffsdeck. Wir wurden um mehrere kleine Inseln gefahren. In einer Bucht wurde geankert und wir stürzten uns in kühle nass. Herrlich - das Wasser hier hatte verschiedenen Temperaturschichten, es war erfrischend, in kühleren und wieder in wärmeren Schichten zu Schwimmen. In einem Restaurant assen wir am späteren Nachmittag zu Mittag und besichtigten anschliessend die versunkene Stadt. Natürlich sah man davon nicht mehr viel. Sie liegt unter dem Meeresspiegel. Aber mit einem Glasbodenboot oder bei ganz glatter See, kann man verschiedene Gebäude unter der Wasseroberfläche erkennen.